Herbert List / BIO
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1903-1928
Herbert List wird in eine Hamburger Kaufmannsfamilie geboren. Dem elterlichen Lebenswerk folgend beginnt er mit 18 Jahren die Lehre bei einem Heidelberger Kaffeeimporteur und besucht Vorlesungen der Literatur- und Kunstgeschichte. 1925 tritt List in das elterliche Unternehmen ein. Geschäftsreisen zu Kaffeeplantagen in Lateinamerika sowie Aufenthalte in Mexiko und Kalifornien hält der reiselustige junge Mann bereits mit der Kamera fest.

1929-1935
Nach dem Tod des Vaters kehrt Herbert List nach Hamburg zurück und übernimmt zunächst dessen Geschäft. Das Leben als hanseatischer Kaufmann macht ihn allerdings nicht glücklich. Durch seine Interessen und Feingefühl kommt er mit Künstlern wie Erica und Klaus Mann, Eduard Bargheer oder Stephen Spender und deren Lebensentwürfen in Kontakt. Schließlich liefert die Freundschaft zum Bauhaus-Absolventen Andreas Feininger die Initialzündung zum künstlerischen Fotografieren. Er macht List mit der brandneuen Spiegelreflexkamera Rolleiflex bekannt.
In den folgenden Jahren wird List zum enthusiastischen Amateurfotografen. Zusammen mit Feininger zieht er durch die Stadt, experimentiert und kreiert erste Meisterwerke. Sein künstlerischer Ausdruck arbeitet sich zunächst an der Neuen Sachlichkeit und dem Bauhaus ab, um später den Einfluss des französischen Surrealismus aufzunehmen. Die Kompositionen der ersten Hälfte der dreißiger Jahren spielen mit den Sujets von Architektur-, Stillleben- und Portraitfotografie. Sein einzigartiger, enigmatischer Stil bleibt stets ein Hybrid, der – angelehnt an die Malerei von Giorgio de Chirico – von der Kritik als »fotografia metafisica« bezeichnet wird.

1935-1939
Spätestens mit Inkrafttreten der Nürnberger Rassengesetze fühlt sich der offen schwul lebende Vierteljude in der geistigen Enge der Heimat nicht mehr wohl und sicher. Viele seiner Freunde sind bereits ausgereist. Unerfüllt vom hanseatischen Kaufmannsberuf entschließt er sich 1936, Deutschland zu verlassen und widmet sich von nun an ganz der Fotografie. Nach einem Sommer in Italien und der Schweiz beginnt List, sich um sein Auskommen Gedanken zu machen. Cecil Beaton und Georg Hoyningen-Huene raten dem Freund zur Modefotografie und arrangieren einige Aufträge in einem Londoner Studio. Künstlerisch unbefriedigt von der erledigten Auftragsarbeit beginnt List nach Feierabend im Studio Stillleben zu fotografieren.
Dem geschrumpften Geldbeutel und seiner Sehnsucht nach dem Mediterranen folgend, beschließt List 1937 einen Neubeginn in Athen, hält aber seine Kontakte zu Agenturen, Verlegern und Redakteuren in Paris und London. Die Produktivität der ersten Exiljahre macht sich bezahlt. Neben zahlreichen Veröffentlichungen feiert ihn eine erste Solo-Ausstellung in Paris. Auch ein Buchprojekt »Licht über Hellas« nimmt Form an: Ein Vertrag mit »Arts et Metiers Graphiques« sieht eine europaweite Distribution des Bildbandes vor.

1939-1944
List lebt und arbeitet in Griechenland, als der Krieg ausbricht. Dies zementiert die Entscheidung, nicht nach Deutschland zurückzukehren. Seine Arbeiten für den großen Hellas-Bildband sind abgeschlossen, doch mit Kriegsbeginn sehen die damaligen Vertragspartner kaum Chancen für einen erfolgreichen Abschluss des Projekts. Halbfertige Druckfahnen liegen über Jahre unbearbeitet in einem Lager bei Magdeburg. Erst 1953 wird das Buch erscheinen.
Der Einmarsch deutscher Truppen in Griechenland zwingt List, nach Deutschland zurückzukehren. Hier erteilt ihm das Propaganda-Ministerium keine Arbeitserlaubnis als Fotograf. Die nächsten Jahre führt er ein Nomaden-Dasein, um seiner Einberufung in die Wehrmacht zu entgehen. Inoffizielle Aufträge bringen ihn in den letzten Kriegsjahren nach Paris, den Balkan und die Ukraine. Letztendlich wird er im Herbst 1944 von der Wehrmacht als Soldat nach Norwegen geschickt.

1945-1952
Nach Kriegsende etabliert sich List in München und fotografiert die Ruinen der »Führerstadt« in einer Ästhetik, die der seiner griechischen Bildern gleicht. Die Nachkriegszeit ist auch für List ein weiterer Neuanfang. Während er stilistisch bisher am perfekten Einzelbild gefeilt hatte, nimmt nun die Bedeutung von Foto-Essays in seinem Werk zu. Er wird zum Art-Director der Alliierten-Zeitung »Heute« und obwohl das öffentliche Interesse an Bildern aus der Vorkriegszeit gering ist, fertigt er Entwürfe zu Buchprojekten an, die während des Krieges brach lagen.
Das Wirtschaftswunder mit seinen zahlreichen Illustrierten beschert dem Poeten mit der Kamera eine Zeit des kommerziellen Erfolgs und künstlerischer Anerkennung. Er wird zum höchst dotierten Fotografen Deutschlands, der sich paradoxerweise weiterhin als »Amateur« und nicht als Berufs-Fotograf versteht, der Aufträge übernimmt. Sein Erfolg und sein Selbstverständnis als frei arbeitender Künstler wecken das Interesse Robert Capas. Er wirbt List für die neu gegründete Fotografen-Kooperative »Magnum Photos«, der List 1952 beitritt.

1953-1964
Mit seinen 50 Jahren ist List alles andere als reisemüde: Zusammen mit seinem Freund und Schüler, dem Fotografen Max Scheler, bereist er Europa. Italien wird zur zweiten Heimat; Griechenland besucht er weiterhin regelmäßig. List fährt auf einem Frachtschiff von Hamburg in die Karibik. Er wird zum »human-interest Fotografen« ohne dem Geschäft der tagesaktuellen Ereignisse nachzulaufen. Egal ob Voodoo Kult in Jamaica, katholische Pilger in Mexiko oder Thunfischfang auf Sizilien: die Menschen stehen in seinen Geschichten anmutig, würdevoll und gleichberechtigt nebeneinander. Immer wieder nimmt er jetzt die Leica Kleinbildkamera zur Hand. Er wird damit in der Bildfindung spontaner, und seine alte Leidenschaft für das Leben auf der Straße nimmt noch einmal Fahrt auf. Die Freundschaft zu Vittorio de Sica, dem italienischen Meister des neorealistischen Films, führt ihn zu einem gemeinsamen Projekt: Das Buch »Napoli« wird zu einer Liebeserklärung an die Stadt und das Leben und ist das letzte eigenständige Autorenbuch, das List 1961 veröffentlicht.

1965-1975
In der letzten Dekade seines Lebens schwindet die Lust an der Fotografie. Einige Jubiläums-Publikationen seiner Bilder zum siebzigsten Geburtstag begleitet er mit wohlwollenden Interesse, aber eine museale Retrospektive seines Werks lehnt er ab. Er widmet sich fast vollständig und professionell dem Sammeln von Meister-Zeichnungen und verstirbt 1975 in München.

© Herbert List Nachlass, Hamburg Germany
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